Woche 30/2022
St. Beaufort
Those Windows (Blue Whale Records)
Das dritte Album des 2014 gegründeten und international besetzten Berliner Folk- und Bluegrass-Trios St. Beaufort: Henric Hungerhoff (Gitarre, Akkordeon, Vocals) stammt aus Deutschland, Joseph Jakubczyk (Banjo, Vocals) aus den USA und Tomás Peralta González (Kontrabass, Mandoline, Vocals) aus Chile. Als St. Beaufort sind sie schon in ganz Europa aufgetreten und der Rolling Stone schrieb: “St. Beaufort bieten konzises Songwriting und liebevoll ausgearbeitete Arrangements […].“
Eigentlich sollte „Those Windows“ lediglich eine 3-Track-EP werden, entwickelte sich aber letztlich mit neuen sowie bislang nicht eingespielten Stücken zu einem kompletten Album (VÖ 01.07.22). Außer dem Bluegrass-Standard „I’m Coming Back“, mit dem das Album schließt und den die Band seit ihrem Bestehen im Live-Programm hat, stammen alle Stücke von Hungerhoff oder Jakubczyk, die beide getrennt voneinander schrieben und die Songs dann in gemeinsamen wöchentlichen Sessions verfeinerten.
In seinem Blue Whale Recording Studio stieß Bassist und Produzent Tomás Peralta dann zu den eigentlichen Aufnahmen hinzu, brachte seine Ideen ein und finalisierte die Arrangements. Kerninstrumente waren Gitarre, Banjo und Bass; später wurden Akkordeon, Mandoline, Lap-Steel sowie Klavier und Bläser hinzugefügt. Danach gefragt, in welcher Form dieses Album sich von den zwei Vorgängern unterscheidet, sagt Hungerhoff: „Those Windows ist musikalisch breiter. Sounds und Stile sind freier“.
In die oft autobiografischen Texte der Band fließen teils auch Geschichten Dritter ein, „meist welche, die etwas aufregender sind als unsere eigenen Leben“ so Joe Jakubczyk. Der Song „Dust Devil“ basiert z.B. auf der Entscheidung von Joes Großvater, seine Familie ins Auto zu packen und einfach gen Westen zu einem unbekannten Ziel aufzubrechen und lässt Joe im Schreibprozess Parallelen zu seinem persönlichen Entschluss erkennen, „den umgekehrten Weg aus Amerika in die alte Welt zu gehen”.
Beim Schreiben kommt er allerdings regelmäßig in ein Dilemma: „Ich will meine tiefsten Gedanken und Gefühle teilen, sie aber auch nicht zu genau benennen. Es ist ein wenig wie mit einem Tagebuch. Du schreibst etwas nieder, aber du möchtest nicht, dass es jemand liest. Ich bin immer hin- und hergerissen zwischen dem Wunsch, dass die Hörer den Sinn eines Songs genau verstehen, und der Angst, dass sie es tatsächlich tun.“
Das Album „Those Windows“ ist eine gelungene Verbindung von mitunter sehr persönlichen, durchaus auch tief emotionalen Texten einerseits und der wunderbaren mit der „völlig erträglichen Leichtigkeit des Seins“ daherkommenden Musik“. Anspieltipps: „Tucson“ und „Banjo Song“. (Photo© ub-comm)