Woche 16/2023
Carolyn Breuer & Andrea Hermenau
Oneironaut (ENJA)
Wenn Jazz, wie der große amerikanische Jazzautor Whitney Balliett einmal meinte, „the sound of surprise“ ist, dann verkörpern die Saxophonistin Carolyn Breuer und Andrea Hermenau diesen Geist in besonderer Weise. Von grenzenloser Neugier getrieben verlassen sie gern mal den von Puristen noch zugestandenen Bereich des Jazz, Carolyn in Richtung Symphonieorchester, Kinderrap oder Urban Folk, Andrea in weltmusikalische Gefilde oder bayerische Kabarettprogramme.
Etwas noch Entlegeneres, gar etwas Unzugängliches mag man hinter dem fremdartigen Titel „Oneironaut“ wittern, doch schon das Eröffnungsstück „My Foolish Heart“, im unerwartetem 7/4-Takt alles andere als eine standardisierte Version des Standards, verspricht ein reines Jazzalbum. Dieses Versprechen wird bis zum letzten Ton eingelöst mit eleganten, mitunter elegischen Klängen, faszinierenden, fantasievollen Geweben aus Saxophon, Klavier und quasi-instrumentalem Gesang sowie Originals, die poetischen Kleinode darstellen, zart und leuchtend – eine wunderbare Klanglandschaft, zu der auch Bassist Henning Sieverts und Schlagzeuger Christian Lehner wesentlich beitragen.
Hier wird kompromisslos gejazzt, tief aus dem Herzen kommend und tief in den Roots verankert, hochsensibel, frisch. Und mit der wundersamen vogelflugartigen Leichtigkeit, die braucht, wer sich sicher in Träumen bewegt. Ein Oneironaut ist nämlich „jemand, der seine Klarträume ins Positive steuern kann und somit auch Albträume in angenehme Träume verwandeln kann, wie ein Steuermann, der im Meer der Träume in die richtige Richtung navigiert.
Genau das möchten wir mit unserer Musik beim Hörer bewirken“, erklärt Carolyn Breuer, die 2018 mit Andrea das Quartett gegründet hatte, das gerade in Corona-Zeiten, als Auftrittsmöglichkeiten rar waren, seine kreativen Stärken entfaltete. Es war eine Zeit der Einkehr und des verstärkten Komponierens, worin sie auch eine Aufgabe sahen, wie Andrea Hermenau erläutert: „Nachdem durch die Kontakt- und Reisebeschränkungen die Wichtigkeit von mentalen und emotionalen Oasen für die Menschen umso deutlicher wurde, haben wir gemeinsam Musik komponiert, die den Menschen die Möglichkeit eröffnen soll, sich in andere Welten zu träumen.“
Keine Überraschung ist, dass die beiden erfolgreichen Bandleaderinnen zusammenfanden. Es war nur eine Frage der Zeit, bis die beiden Münchnerinnen die Kompatibilität ihrer ausgesprochen innige und lyrische Melodikerinnen und kreative Komponistinnen entdeckten. Subtiler kammermusikalischer Jazz, der tief berührt und die Kraft besitzt, Träume ins Positive zu wenden. Andrea und Carolyn können Geschichten erzählen, die der Seele Flügel verleihen.
Anspieltipps: „Schwalbentanz“ und „Wanderer“.