Woche 50/2024

Eyal Lovett

Where Do We Go From Here? (Berthold Records)

„Es war ein spontaner Versuch, die grauenhaften Ereignisse zu verarbeiten. Während Israel einen Albtraum erlebte, erschien mir in meiner Wahlheimat Dänemark alles ruhig und friedlich“, erinnert sich der Pianist und Komponist Eyal Lovett. Viele Stücke seines neuen Albums „Where Do We Go From Here?“ entstanden unmittelbar nach den Hamas-Anschlägen vom 7. Oktober. „Unsere Familien leben in Israel – in einer Gesellschaft, in der sich viele Menschen orientierungslos und überfordert fühlen. Viele von ihnen wissen einfach nicht, wie es weitergehen soll.“

Dass Lovett ein talentierter Geschichtenerzähler ist, beweist der dramaturgische Aufbau des Albums. Es beginnt mit Childhood Games, das leicht, fast tänzerisch daherkommt. Es handelt von der engen Freundschaft, die Lovett seit Kindheitstagen mit dem israelischen Gitarristen Eran Har Even verbindet. „Ich wollte, dass das Album leicht und spielerisch startet“, erklärt der Komponist.

Dagegen dominieren in Dark Days deutlich düstere Klänge. „Entstanden ist das Stück im Sommer. Schon damals hatte ich das unheilvolle Gefühl, dass dunkle Wolken über mir schweben und etwas Schreckliches passieren würde“ erinnert sich Lovett und ergänzt: „Vordergründing bezieht es sich auf die schwierige, schmerzhafte Zeit, die ich damals persönlich durchlebte. Aber natürlich greift es auch das allgemeine Gefühl auf, dass sich viele Dinge in die falsche Richtung entwickeln – inklusive der desaströsen Politik von Benjamin Netanjahu“. Gefühle, die Lovett und seine Trio-Kollegen Jan Sedlak (Kontrabass) und Yogev Shetrit (Schlagzeug) in einem famosen Zusammenspiel transportieren, das mit fortschreitender Dauer immer bedrohlicher wirkt.

In Lovetts Musik finden sich zahlreiche, ganz verschiedene Einflüsse: von Johann Sebastian Bach über Bill Evans bis zu Daniel Barenboim, außerdem israelische, arabische, südländische und afrikanische Klänge, sowie Songwriter und Bands aus den 1960er und 1970er Jahren. Dennoch gelingt es Lovett auf „Where Do We Go From Here?“ seine eigene musikalische Sprache zu finden.

Während die tragischen Ereignisse in Israel und dem Gazastreifen das Album dramaturgisch flankieren, drückt Lovett in seiner Musik eine Mischung aus Schmerz und Hoffnung aus, die – mit Blick auf den Albumtitel – in eine ungewisse Zukunft führt. Ein Album, das von der großen Musikalität seiner Instrumentalisten und seinen beeindruckenden Feinheiten lebt. Anspieltipps: Childhood Games“ und „There Is Still Beauty“.