Woche 06/2025

Fola Dada

Sisters & Brothers (Phazz-A-Label)

Im Leben wie in der Musik geht es um den richtigen Zeitpunkt. Es braucht nicht nur Erfahrung und Können, sondern auch Mut und Vertrauen, um im rechten Moment loszulassen. „Sisters & Brothers“, das neue Album von Fola Dada (VÖ 07.02.2025), ist das beste Beispiel für perfektes Timing. Denn die Einspielung kommt zum genau richtigen Zeitpunkt in der Karriere der Trägerin des Deutschen Jazzpreises 2022 – exakt in jenem Moment, in dem sie selbstbewusst sagen und singen kann: „Hier bin ich.“

„Ich“ bedeutete in diesem Fall: viele. Dada leiht auf „Sisters & Brothers“ den unterschiedlichsten Gefühlen und Genres ihre Stimme. Und bleibt doch stets bei sich. Vielfalt ist das Markenzeichen der 1977 in Stuttgart geborenen Sängerin, die sich schon immer mühelos wie glaubhaft zwischen Jazz, Soul, R&B, Pop, Reggae und Clubbigem zu bewegen wusste.

Mit ihren zehn neuen Songs (plus einer gewissermaßen folarisierten Version der Sade-Nummer „Jezebel“ aus dem Jahr 1985) zeigt sie sich nun auf dem vorläufigen Höhepunkt ihrer Vermittlungskunst zwischen den Stilen. Auf der Basis der warmen elektroakustischen Grooves, die ihr von Keyboarder Ulf Kleiner, Bassist Joscha Glass und Drummer Tommy Baldu zu Füßen gelegt werden, erzählt Dada Geschichten von Selbstermächtigung, Verlust, Freude und Hoffnung.

Ungemein lässig klingt das, tanzbar und zeitlos – wie eine dieser alten Lieblingsplatten im Schrank, die man auflegt, wenn man Seelentrost braucht. Man sollte sich aber nicht täuschen lassen: Retro ist das nicht. Dada verhandelt in ihren Liedern, was ihr und der Gesellschaft gerade auf den Nägeln brennt. Inhaltlich brodelt, gärt und arbeitet es in den Songs. Da geht es etwa in Stücken wie „We Run“ oder „Becoming“ um das rasende Aufmerksamkeitsdefizit unserer Zeit. In „Nowhere Near“ und „Escape“ wiederum dreht es sich um Themen wie Self Care und den Ausbruch aus den toxischen Mustern der Gegenwart, während der Titelsong „Sisters & Brothers“ mit Joo Kraus an der butterweich gespielten Trompete die dringende Notwendigkeit von verständnisvoller Kommunikation zur Sprache bringt.

Fola Dada erhebt dabei nicht mahnend und spaßbefreit den Zeigefinger, sondern liefert sozusagen gesungene Lebenshilfe. Klug, umsichtig und ermunternd, als Türöffnerin ins Innere der Zuhörenden. Was sich übrigens sehr gut mit ihrer Philosophie als Professorin für Gesang und Jazz an der Musikhochschule Mannheim und als Leiterin ihrer Gesangsschule „Stimmwerk“ in Stuttgart deckt.

Gleichwohl offenbart Dada, die unter anderem mit Joy Denalane, Edo Zanki, Hellmut Hattler oder als Vocal-Coach bei „Deutschland sucht den Superstar“ arbeitete, mit „Sisters & Brothers“ auch ganz neue Schattierungen in ihrem Oeuvre. Etwa in dem Song „We Will Heal“, der von dem Gedicht „Still I Rise“ der afroamerikanischen Schriftstellerin und Bürgerrechtlerin Maya Angelou inspiriert wurde. Mit hypnotisierender Stimme beschreibt Dada in ihrem Lied die jahrhundertealten Strukturen von Machtmissbrauch, Rassismus und Diskriminierung. Es lässt einem schier das Blut in den Adern gefrieren.

„Ich bin eigentlich ein harmoniesüchtiger Mensch“, erklärt die in Schwaben aufgewachsene Tochter einer deutschen Mutter und eines nigerianischen Vaters, „aber irgendwann muss man auch mal sagen: bis hierhin und nicht weiter. Die Schärfe in diesem Stück ist für mich ungewöhnlich und neu.“ Sie verstehe sich mit „We Will Heal“ als Sprachrohr für alle, die keine Stimme haben.

Der Fixpunkt im reichhaltigem Spektrum der Sängerin ist zweifellos der Jazz, der ihr nach eigenen Worten durch den Stepptanz über die Füße in den Körper und von dort in die Stimmbänder geriet. Das hört man auf „Sisters & Brothers“ an vielen Stellen: Sei es in der virtuos-verspielten Phrasierung à la Ella Fitzgerald wie im Titelsong, sei es in der erdigen Tiefe des Ausdrucks, wie man ihn sonst nur von einer Billie Holiday oder Nina Simone kennt.

Dennoch hält es Fola Dada für das schönste Kompliment, wenn man sie nicht als Jazz- oder Solosängerin bezeichnet. Sondern einfach nur als Sängerin. „Dann geht mir das Herz auf“, sagt sie, „denn genau das ist mein Anliegen: Ich möchte gerne die ganze Welt abbilden mit meinem Gesang.“ Mit „Sisters & Brothers“ gelingt dies Fola Dada vollauf und auf wunderbare Weise: Sie singt das Leben.