Woche 29/2022

Giovanni Costello

In Alto Mare (GLM)

So aktuell wie nie klingt der Titel von Giovanni Costellos neuem Album: „In Alto Mare“. Befinden wir uns doch – im auf Corona und die Weltlage übertragenem Sinn – seit einiger Zeit „auf hoher See“, noch dazu in aufgewühlten Wassern. Ausgeliefert den Launen der Natur wie des Schicksals, aber eben auch aufgebrochen zu neuen Ufern und auf der Reise. Was durchaus alles in Costellos Album einfließt, auch wenn es vor allem in den italienischen Farben leuchtet, weil es Costellos Karriereweg und Erfahrungen rundum abbildet: Von Cantautori-Liedermachersongs und jazzigem Crooner-Gesang bis zu internationalem Pop und Funk.

Eine Bandbreite, die früh vorgezeichnet war. Schon als kleiner Junge rannte Costello Celentano-Hits singend durch die Küche der Oma; mit sieben lernte er Klavier und stand bald darauf das erste Mal auf einer Bühne. Noch als Schüler gründete er seine erste Band – mit der er mit 18 bereits durch ganz Italien tourte. Dass er die Musik zu seinem Beruf machen würde, war da schnell klar. Dass er dafür ein solides Fundament haben wollte, aber auch. So studierte er in Perugia Klavier und in Mailand Komposition. Was er unter anderem dadurch finanzierte, dass er nebenbei so oft es ging als Barpianist auftrat.

Eine intensive Zeit und ein wichtiger Erfahrungsschatz, den Costello auf „In Alto Mare“ mit seiner Version von Francesco De Gregoris „La Donna Cannone“ aufgreift und Revue passieren lässt. Fällt doch in diese Zeit die Entdeckung seiner besonderen Stimme und ihrer unwiderstehlichen Wirkung auf das Publikum, nicht zuletzt auf das deutsche. Denn bald nach dem Studium verlegte Costello auf die Empfehlung eines Managers und wegen der Nachfrage als Pianist seinen Hauptwohnsitz nach Deutschland – auch wenn er die Batterien regelmäßig in seiner umbrischen Heimat auflädt.

Den Durchbruch als Sänger verdankt er denn auch seinem Auftritt bei der ersten Staffel von „The Voice of Germany“ 2011, der ihn bis ins Halbfinale und in die Herzen eines Millionenpublikums führte. Seitdem ist Costello zu einem herausragenden Botschafter von italienischem Stilbewusstsein, italienischer Lebensart und vor allem der italienischen Musik geworden. Was mit seinem sechsten Album „In Alto Mare“ einen neuen Höhepunkt in Sachen Vielfältigkeit erreicht.

Elegant wie immer verbindet Costello hier mehr denn je die Stile miteinander. Schon beim Einstieg mit dem Titelstück, einem italienischen Pop-Klassiker von Loredana Berté, gelingt ihm eine funkige, mit einer Oldschool-Rap-Einlage garnierte Reminiszenz an die von Bands wie Kool & The Gang geprägten Disco-Ära der 70er und 80rt. In diese nicht nur musikalisch von ungetrübtem Optimismus durchzogenen Zeiten führt auch Costellos Version von „Non Avere Paura“, ein bisher unveröffentlichtes Stück des Gitarristen Mauro Culotta, einem der Hausautoren der „Primadonna des Italo-Pop“ Mina.

Costello hat für „In Alto Mare“ nicht nur herausragende Stücke fremder Autoren ausgesucht, sondern auch wieder seiner mit dem vorletzten Album „Splendido“ begonnenen eigenen Kompositionsleidenschaft freien Lauf gelassen. Das seinem Titel alle Ehre machende „Blues“ und das treibende „Amami“ gießen eigene Erfahrungen in emotionale Klänge. Doch bei aller charismatischer Präsenz ist Giovanni Costello kein Selbstdarsteller.

Schon immer war er ein Teamplayer, der sich für seine Botschaften mit den Besten zusammentat, von Musikern wie Luca Meneghello, Gitarrist von Mina, der bekanntesten Sängerin Italiens, oder Marco Mariniello, der Bassist von Andrea Bocelli, über die (sein letztes Album „True Italian Stories“ in die große Form einhüllende) SWR Big Band mit ihren großartigen Jazz-Solisten bis zu Produzenten wie dem Stuttgarter Ralf Hesse oder dem kanadischen Michael-Bublé-Arrangeur David Foster.

Für „In Alto Mare“ ist nun Nicolò Fragile eine Schlüsselfigur. Nicht nur als Pianist und Keyboarder, der Costello – bis auf das finale Solo „La Donna Cannone“, wo er selbst in die Tasten greift – stets Song-dienlich begleitet. Sondern vor allem als Arrangeur und Produzent des Albums. Dank seiner großen Erfahrung – Fragile hat in den vergangenen 20 Jahren an über 200 Alben und mit fast allen italienischen Stars von Mina, Irene Grandi, Loredana Bertè oder Ornella Vanoni bis zu Eros Ramazzotti, Mario Venuti, Adriano Celentano oder Mario Biondi gearbeitet – fand er für jedes Stück, für jeden Stil und für jede Farbe von Costellos Gesang den richtigen Dreh.

Nicht zuletzt dank Fragiles Hilfe darf Giovanni Costello also mit „In Alto Mare“ mehr denn je als Botschafter der großen italienischen Songs glänzen, in all ihrer Pracht von der klassischen Verspieltheit über die melodramatischen und hochromantischen Momente bis zum puren Funk und Pop. Die aber bei aller stilistischen Vielfalt stets Liebe, Frieden und Gemeinsinn vermitteln. Anspieltipps: „Amami“ und „Non Avere Paura“. (Photo©Kerkau-promotion)