Woche 31/2023
Hanna Sikasa
Sequel (Fine Music)
„Sequel“ nennt die afrodeutsche Sängerin und Komponistin Hanna Sikasa ihr neues Album: „Fortsetzung“. Man könnte also an eine Fortsetzung ihres Debütalbums „Origin“ denken. An eine Fortsetzung ihres Erfolgsweges, der gerade in einer entscheidenden Phase von der Pandemie jäh unterbrochen wurde. An die Fortsetzung ihres künstlerischen Prozesses, den sie selbst für das Album so beschreibt: „Die Songs erzählen vom Loslassen und vom Wachsen, von der Suche nach der eigenen Identität, von Einsamkeit und tiefer Verbundenheit, auch mal vom Abschied nehmen – vielleicht einfach vom Erwachsenwerden.“
Und doch ist „Sequel“ auch eine Premiere. Ist „Origin“ doch seinerzeit ohne Label und nur digital und auf Vinyl erschienen, jetzt also darf man von einer Debüt-CD sprechen. Vor allem aber ist nun eine nochmals gereifte Hanna Sikasa zu erleben, die an sich als Sängerin und Komponistin ebenso gefeilt hat wie an dem bewährten und neuen Material, das sich auf dem Album zu einem bemerkenswerten Ganzen rundet.
Schrieb die Süddeutsche Zeitung schon 2019 über sie: „Eingängige Melodien, aber komplex gesungen und arrangiert, mit poppiger Klarheit, jazzigem Timbre und poetischen, manchmal fast hypnotischen Texten, das ist Sikasas schon jetzt ziemlich unverwechselbares Rezept“, so hat sie ihre Musik jetzt noch prägnanter auf den Punkt gebracht.
In „Sequel“ kulminiert der Werdegang von Hanna Sikasa. Der in Augsburg geborenen und aufgewachsenen Tochter eines Kenianers und einer Schweizerin, die schon als Kind einfach nur Musik machen und singen wollte. Die schon während ihrer gesamten Schulzeit Klavierunterricht hatte, und sich nach dem Abitur folgerichtig für ein Musikstudium entschloss. Die in Nürnberg bei Elisabeth Tuchmann und Reinette van Zijfeld-Lustig und später vor allem bei Fola Dada Jazzgesang studierte, sich danach aber von der „reinen Lehre“ wegbewegte: „Ich mag Jazz-Standards wahnsinnig gerne, aber wenn ich etwas schreibe, kommt etwas anderes heraus.“
Eher Pop eben, aber ein von Jazz-, Soul- und R’n’B-Elementen durchdrungener, nie beliebiger, immer ganz persönlicher. Eine Musik, die sich so erkennbar abhebt, dass Sikasa dafür 2017 den Musikpreis der Stadt Augsburg und 2018 ein Musikstipendium der Landeshauptstadt München bekam.
Stets findet Hanna Sikasa ein Thema und eine Melodie, die sich dank ihres mal feenhaft leichten, mal stürmischen Gesangs über die Gehörgänge in Herz und Selle des Hörers eingräbt. Die ganze Kraft der Songs aber entfaltet sich dank ihrer „Bandfamilie“. Sind ihre Begleiter doch allesamt Freunde aus der Augsburger, Nürnberger und Münchner Szene, die sie und ihr Projekt zumeist schon sehr lange begleiten.
Allen voran Gitarristin und Singer/Songwriterin Julia „Jules“ Nagele, die Sikasa genau wie den Trompeter Christoph Braun im Landesjugendjazzorchester Bayern kennenlernte, mit der sie seit Jahren auch im Duo auftritt und erfolgreich Wohnzimmerkonzerte veranstaltet hat. Die Sängerin und Keyboarderin Nadja Lea Letzgus, ihre beste Studienfreundin, mit der Sikasa auch als Club Flor de Maio unterwegs ist, wo Sikasa nicht nur singt, sondern auch Kontrabass spielt. Mit Matthias Jung bilden Jules und Letzgus einen fulminanten, perfekt harmonierenden Background-Chor.
Weiter geht es mit dem Schlagzeuger Julian Losigkeit, der schon die Aufnahmen zu „Origin“ leitete und nun zusammen mit Klaus-Sebastian Klose am Bass das groovende, satte Fundament der Band bildet. Fehlt noch Juri Kannheiser einer der nicht so zahlreichen klassischen Cellisten, der auch andere Genres liebt und beherrscht, der hier oft auch eine rhythmische Rolle einnimmt und zusammen mit Christoph Braun – speziell am Flügelhorn – maßgeblich für den warmen, vollen Sound der Band verantwortlich ist.
Schließlich leistete sich Sikasa noch einen besonderen Luxus und erweiterte die Band für einige Stücke auch noch um das großartige Leopold Mozart Streichquartett mit Mariko Umae und Živa Ciglenecki an den Geigen, Christian Döring an der Bratsche und Johannes Gutfleisch am Cello.
Gemeinsam bringen sie auf „Sequel“ Hanna Sikasas Musik zum Schweben und zum Brausen. Und ja, in einer Hinsicht wird das Album bestimmt eine Fortsetzung darstellen: „Musik, die man an warmen Abenden von Balkonen schweben hören möchte.“ Anspieltipps: „Stars Are Still“ und „Bird“.