Woche 10/2025

Cornelius Claudio Kreusch & Joscho Stephan

HIGH WIRE (GLM)

Seit langem gehört Cornelius Claudio Kreusch zur Riege der herausragenden Jazz-Pianisten mit eigenem Stil. Seine Ausnahmestellung hat der lange in New York Lebende auf vielen Alben unter Beweis gestellt, mit Größen wie Kenny Garrett, Terri Lyne Carrington, Bobby Watson, Herbie Hancock und Salif Keïta, aber auch in der Königsklasse des Solo-Pianos. Als er ein Video vom Duo des Gitarristen Joscho Stephan mit dem großen Biréli Lagrène sah, war für ihn klar, dass er mit ihm zusammenspielen musste: „Ich konnte mir sofort vorstellen, dass wir so harmonieren wie das Duo Toots Thielemans und Martial Solal, das mir als Inspiration vorschwebte.“

Joscho Stephan ist nicht nur für seine Virtuosität an der akustischen Gitarre bekannt, er steht auch für einen jungen, neuen, stilübergreifenden Ansatz im Genre des Gypsy Swing. Stephan führt das Erbe Django Reinhardts ganz in dessen Geist fort, was seine Zusammenarbeit mit so unterschiedlichen Jazz-Stars wie Paquito D’Rivera, James Carter, Charlie Mariano, Stochelo Rosenberg oder Tommy Emmanuel unterstreicht.

Die wichtigsten und persönlichsten Kompositionen seiner Karriere in dieser Begegnung neu erstehen zu lassen, war Kreuschs LeitIdee für dieses Album. Und so werfen sich Kreusch und Stephan auf „Highwire“ nun staunenswert artistisch die Bälle zu, rasant, originell und immer sehr musikantisch. Drei gemeinsame Vorlieben sind es, die dieses Duo klingen lassen, als würden es schon seit Jahren zusammenspielen: Die Verwurzelung in einer starken Rhythmik, die Liebe zur Melodie und die Lust an der Improvisation.

Bestes Beispiel dafür ist „Paco“, das Cornelius Claudio Kreusch in Gedenken an Paco de Lucia am Tag seines Todes schrieb. Bei der ebenso mitreißenden wie berührenden Hommage an das Genie der Flamenco-Gitarre lässt Kreusch in seiner unnachahmlichen Art die Finger über die Tasten fliegen, und Stephan seine Gitarre singen wie Jascha Heifetz die Geige. Widmungen machen ohnehin einen bedeutenden Teil von „Highwire“ aus.

Bei den Verbeugungen vor seinen Eltern und den musikalischen Grüßen an seine fünf Kinder hat Kreusch einige seiner einprägsamsten Melodien gefunden. Zum Beispiel das hymnische Motiv bei „For My Father“, das Kreusch nach dem Intro ganz Joscho Stephan überlässt, der hier alle Ausdrucksmöglichkeiten aus seiner Gitarre herausholen darf: Pickings, Rhythmus-Akkorde, Perkussion, wilde Läufen und singendes Vibrato a la Django Reinhardt. Oder das emotionale Thema beim „Source Song“, dem ruhigsten, vielleicht persönlichsten Stück des Albums, das Kreusch seiner Mutter Dorothée Kreusch-Jacob widmete, die ihn als renommierte Konzertpianistin, Liedermacherin, Schriftstellerin und Musikpädagogin früh zur Musik geführt hat.

Zwei Stücke spiegeln wichtige Etappen in Kreuschs Karriere wider. „On the Bowery“ ist nach der Straße im Süden Manhattans benannt, in der Kreusch nach seinem Studium am Bostoner Berklee College of Music viele Jahre lang ein Künstlerloft bewohnte. Zwischen NoHo, Soho, East Village und Lower Eastside war es seine kreative Kraftquelle in der Hauptstadt des Jazz. Wohnraum, Übungsraum, Konzertsaal, aber auch Salon und Partymeile für ihn und viele befreundete Musiker, der manche glorreiche Stunde, aber auch 9/11 hautnah miterlebte, lag doch das World Trade Center nur wenige Blocks entfernt. Diesen Erinnerungen und diesem Spirit „seiner“ Straße ist dieses dynamische, pulsierende, hart synkopierte, aber auch mit Blues und „Feeling“ eine verrückte Story erzählende Stück gewidmet die sich um eine Begebenheit um Christmas (On the Bowery) rankt.

Das Album „High Wire“ Duo – Hochseilakt mit Pianist Cornelius Claudio Kreusch und Gitarrist Joscho Stephan. Da finden zwei ebenbürtige Virtuosen, Melodiker und Improvisatoren zusammen und lassen Kreuschs wichtigste Kompositionen und ein paar Standards neu erstehen. Anspieltipps: „Paco“ und „Blues Bossa“.