Woche 04/2023

Me and My Friends

Before I Saw The Sea (Split Shift)

Me and My Friends wurde vor mehr als einem Jahrzehnt gegründet und reifte aus seinen Anfängen in einem Keller in Leeds zu europaweiten Tourneen heran. Das Quintett spielt eine sehr eigene, von Sonne durchwirkte Mischung aus vom Afrobeat inspirierten Grooves, Harmoniegesang, lässig-graziösem Cello und einer spielerischen funky Klarinette für die Seele. Damit haben die Musiker/innen von Gilles Peterson über den französischen Sender FIP und BBC6-DJ Steve Lamacq bis Will Holland von Quantic viele überzeugt. Letzterer befand über die Konzerte der Band: „Eine unglaubliche Live-Show“ und Songlines fand: „Eine erhabene Fusion, die pastorale Verträumtheit mit der Hitze des Highlife und Afrobeat-Sounds verbindet”.

Auf „Before I Saw The Sea“, dem vierten Album (VÖ 27.1.2023) der Band treffen entspannte Grooves auf bittersüße Nostalgie und hypnotische Rhythmen. In nächtlichen Meditationen und Reflektionen während des Lockdowns entwickelte die Band intim anmutende Stücke über Sehnsucht und Veränderung, über Situationen, in denen sich Stabilität gebende Gewissheiten in Nichts auflösen. „Before I Saw The Sea“ ist ein Album, das unsere nicht angetretenen Reisen begleitet, während wir darauf warten, dass die Sturmwolken vorbeiziehen.

Während des in Großbritannien sehr strengen Lockdowns, entstand dort ein kollektives Gefühl der urplötzlich entschleunigten Zeit, das aber immer von einer angespannten Erwartungshaltung begleitet wurde. Das Titelstück fängt mit seinem langsam dahinschreitenden Afrobeat-Groove, Sam Murrays kratzendem Klarinettensolo und Nick Rasles eindringlichen, von Melancholie und Eleganz durchzogenen Vocals diesen Zustand perfekt ein.

Sänger und Gitarrist Nick Rasle beschreibt den veränderten Arbeitsprozess während dieser Zeit so: „Die langen Phasen der Abgeschiedenheit bedeuteten, dass ich einen Song beginnen konnte, der dann ungehindert und ohne Unterbrechung durch das hektische Alltagsleben jeden Tag wieder aufgenommen wurde. Diese Klarheit der Gedanken erinnerte mich an meine ersten Versuche, mit 12 Jahren einen Song zu schreiben, bei denen Kreativität ein Selbstzweck war”.

„Before I Saw The Sea“ enthält wiederkehrende musikalische Motive und Skizzen, die zu einem feinen, träumerischen Gewebe zusammengefügt sind, und bis zum letzten Stück des Albums „Lover, Come Back To Me“ aufeinander aufbauen. Innerhalb von experimentellen Zoom-Sessions der Band entwickelte sich ein Strang gemeinschaftlicher Sinnhaftigkeit, an der die Mitglieder festhielten, während sich um sie herum alles im freien Fall zu befinden schien. Zusammengehalten wurde das Ganze von Bassist und Produzent James Grunwell, der so unterschiedliche Einflüsse wie von Fatoumata Diawara, Billie Holiday oder Alabaster DePlume subtil verschmelzen ließ. Anspieltipps: „Border In Twilight“ und „Witness“ (Photo © ub-comm).