Woche 06/2023

Sarah McCoy

High Priestess (Gentle Threat)

Geboren wurde Sarah McCoy 1985 in Pine Plains, New York, einem Kaff mit knapp 2.500 Einwohnern, als Tochter einer ehemaligen Nonne, Dichterin und Lehrerin und eines gesundheitlich angeschlagenen Kriegsveteranen. Als Sarah noch ein Kind war, zog die Familie um in das wärmere Klima von Charleston, South Carolina, wo sie auch mit jungen Jahren eine klassische Ausbildung am Klavier erhielt.

An der Schwelle zum Erwachsenenalter hielt sie es zuhause nach dem Tod des Vaters und einer unschönen Trennungserfahrung nicht mehr aus und machte sich auf den Weg quer durch die Vereinigten Staaten, wobei sie sowohl das Klavier als auch das Familienjoch hinter sich ließ. Mit nichts als einer Gitarre über der Schulter reiste Sarah fünf Jahre lang auf den amerikanischen Straßen von Ost nach West, bevor sie sich in New Orleans niederließ.

Während dieser Jahre des Reisens entdeckte sie ihre Stimme. Um nicht am Steuer einzuschlafen, sang Sarah McCoyaus voller Kehle und dachte: „Hey, klingt das gut? Ich denke, das klingt gut? … Sing! Lauter!“. In der berüchtigten Piano Bar „The Spotted Cat“ in New Orleans versöhnte sie sich mit dem Klavier und verbrachte fünf Jahre als Artist-in-Residence, wo sie eine neue und seltene Freiheit des Ausdrucks und des musikalischen Experimentierens fand. Allein oder in Begleitung spielte sie, wie es in diesen Lokalen üblich ist, regelmäßig Sets und verfeinerte ihr Können.

Dort wurde sie 2013 vom französischen Dokumentarfilmer Bruno Moynié gesehen/gehört, der, da er Leute aus dem französischen Musikgeschäft kannte, ihr erstes Konzert in Frankreich buchte. Nach einem bemerkenswerten Auftritt beim Pariser Festival Les Nuits de l’Alligator im Jahr 2014 kehrte sie später zurück, um mehrere Male in Frankreich zu spielen, und beschloss 2017, sich in Paris niederzulassen. Aufgenommen im mythischen Studio Ferber, wurde ihr erstes Album „Blood Siren“ von der Presse in Frankreich und in Deutschland hochgelobt.

Mit ihrem zweiten Album „High Priestess“ (VÖ 27.01.2023) markiert Sarah McCoy einen Wendepunkt in ihrem musikalischen Schaffen und vollzieht gleichzeitig eine Art Demontage ihrer Beziehung zu sich selbst. Aufgenommen erneut mit dem erfahrenen Produzenten Renaud Letang (Feist, Keren Ann, Charlotte Gainsbourg) und unter den wohlwollenden Fittichen von Chilly Gonzales, präsentieren die neuen Songs eine persönlich wie künstlerische Weiterentwicklung der Singer-Songwriterin, deren kraftvolle Stimmeund ihre Texte schmerzhafte Risse offenbaren.

Zu Beginn des Sommers 2021 kam Sarah McCoy dann mit einem „Bündel“ voller Melodien, fragmentierten Beats und auf der Straße gesammelten Klängen ins Studio zu Renaud Letang, wobei der Sound im Gegensatz zu „Blood Siren“ moderner und elektronischer wurde. Mit tiefen, blubbernden Bässen, Synthesizern, hypnotischen Beats, düsterem Klavier und ihrem eindringlichen Gesang nehmen die neuen Songs dabei fast schon postapokalyptische Texturen an.

Nach regelmäßigen Deutschlandtourneen von 2019 bis 2022 mit gefeierten Auftritten auf dem Reeperbahn Festival 2021, dem Traumzeit Festival 2021 und den Leverkusener Jazztagen 2022 geht Sarah McCoy nach der Albumveröffentlichung erneut auf Deutschlandtournee und spielt unter anderem am 10. Juni in der Hamburger Elbphilharmonie im Rahmen des Elbjazz Festivals. „High Priestess“ ist sowohl als CD wie auch auf Vinyl erschienen und dürfte nicht nur die Fans der Musik von Beth Hart, Cat Power oder den Black Pumas überzeugen. Anspieltipps: „Weaponize Me“ und „Long Way Home“ (Photo © PIAS).