Woche 38/2022

Steve Gadd, Eddie Gomez, Ronnie Cuber & WDR Big Band

Center Stage (Leopard)

Zum ersten Mal seit langer Zeit kommt Super Drummer Steve Gadd mit seinen Freunden aus der „Gadd Gang“ Zeit, Eddie Gomez und Ronnie Cuber zu einer Produktion mit der WDR Big Band, zusammen. Unter der Leitung von Michael Abene entsteht so ein traumhaft groovendes Album, in deren Mittelpunkt Steve Gadd und seine Freunde stehen.

Die Kooperation der Gadd Gang mit der WDR Big Band lag seit langem in der Luft. Schon 2011 stand eine mögliche Zusammenarbeit mit dem ARD-Klangkörper unter der Leitung von Michael Abene (von 2004 bis 2014 Chefdirigent des Orchesters) im Raum. „Ich mag und schätze Michael sehr“, erklärte Gadd, „seine Arrangements und sein Klavierspiel. Wir haben schon früh einige Aufnahmen und Projekte in New York gemacht und ich würde gern mehr mit ihm realisieren. Es ist einfach eine Frage, wie man terminlich zusammenkommt – und das ist nicht so einfach. Aber ich denke, irgendwann wird es funktionieren.“

Im Januar / Februar 2022 war es dann soweit, und so fanden die Aufnahmen für „Center Stage“ beim WDR im Studio der Big Band statt. Ein Ambiente, das ihm vertrauter ist wie kaum einem anderen. Steve Gadd gilt als der Studio-Schlagzeuger schlechthin, seit Mitte der 70er Jahre hat er unzählige Alben eines who is who der Pop- und Jazz-Geschichte mit seinem so ungemein präzisen Spiel und einzigartigem Groove veredelt.

Dieses Projekt ist auch für Michael Abene die Realisierung eines lang gehegten Wunsches – und eines lang ersehnten Wiedersehens mit alten Kollegen und Freunden: „Ich hatte schon vor ein paar Jahren mehrfach mit Steve darüber gesprochen. Und er hatte sofort Lust darauf. Aber wir kamen erst einmal nicht zusammen. Zum Glück kenne ich den Produzenten Joachim Becker, auch mit ihm war ich seit längerem in Kontakt mit dieser Idee im Kopf. Das Problem ist natürlich, einen gemeinsamen Termin zu finden, wenn du jemanden wie Steve Gadd haben willst, musst du Geduld haben. Aber zu guter Letzt hat es wunderbar geklappt. Und es war toll, die Jungs nach langer Zeit wiederzusehen. Ronnie Cuber, Eddie Gomez und ich waren 1959 Mitglieder der Newport Youth Band beim Newport Jazz Festival. Wir waren alle noch Teenager. Eddie habe ich schon als Vierzehnjährigen kennengelernt – und schon damals war er sehr gut, Ronnie auch. Da gibt es also eine lange gemeinsame Geschichte mit uns.“

Für Michael Abene war „Center Stage“ auch eine Reunion mit der Big Band, die er 10 Jahre als Chefdirigent geleitet hatte: „Oh, ich liebe es! Es ist, als ob all meine Cousins, meine Neffen, meine Schwestern und Brüder hier sind!“ (lacht)

Baritonsaxophonist Ronnie Cuber und Bassist Eddie Gomez reisten nach Köln als langjährige Mitglieder der Gadd Gang an – einer der Mitte der 80er gegründeten Formation und Steves erster Band unter eigenem Namen. Zur Gruppe gehörten zudem der Gitarrist Cornell Dupree und der Pianist und Keyboarder Richard Tee, Beide inzwischen verstorben. Dupree, Tee und Gadd waren auch Teil der Vorgänger-Band der Gadd Gang, von Stuff: mit ihrem Mix aus Funk, Soul und R&B ein Garant für finger snappin‘ und foot tappin‘ und das, was man eine wahre „live band“ bezeichnet.

Gomez und Gadd sind als Rhythmusgruppe ein eingespieltes Team – nicht erst seit der Gadd Gang. Schon 1978 arbeiten sie etwa auf Chick Coreas Album „Friends“ zusammen, 1981 auf dessen LP „Three Quartets“ (mit Mike Brecker). Auch für „Center Stage“ bilden die beiden ein mehr als nur zuverlässiges Fundament. Michael Abene: „Eddie und Steve haben in so vielen unterschiedlichen Situationen kooperiert. Wenn sie gemeinsam die time spielen, braucht man sich keine Sorgen machen. Spätestens am zweiten Tag wusste die Big Band, wie sie mit Steve und Eddie zu spielen hatte – und umgekehrt.“

Und das dritte Gang-Mitglied Ronnie Cuber ist nicht minder ein Garant für Powerplay und Groove: ein in Soul-Jazz, Hardbop, Blues, Funk und Latin versierter Baritonsaxophonist, ein altgedienter Profi, mit allen Wassern gewaschenen, unzähligen Combo- und auch Big-Band-Erfahrungen und einem röhrenden Sound, den man schon nach ein, zwei Sekunden als den seinigen erkennt.

Hier die Erfahrung der Gadd Gang und seiner Mitglieder, dort die eines der weltweit renommiertesten Jazz-Orchester, der WDR Big Band. Sie zu einem in sich stimmigen Ganzen zusammenzuführen, mag nur auf dem Papier ein Leichtes sein. Zwei Klangkörper nicht als zwei getrennte Einheiten wirken zu lassen, sondern sie miteinander zu verschmelzen, bedurfte der Erfahrung eines weiteren Mannes, der von Michael Abene.

„Center Stage“ ist ein idealtypisches Gadd-Album, eben keine jener bisweilen so gefürchteten Schlagzeuger-Produktionen, die nicht mehr als virtuos inszenierte Ego-Trips sind. „Steve“, so Abene, „ist in erster Linie Musiker, ein Musiker, der Schlagzeug spielt – und das sehr musikalisch. Mit einer großartigen Technik, die er aber eben nur dann einsetzt, wenn sie gebraucht wird. Keine auf Show angelegten Soli, ein absolut Band-dienlicher Spieler, der vor allem für Groove sorgt. Bei ihm geht es niemals um ihn, sondern um die Musik.“

Und Michael Abene bringt auf den Punkt, was „Center Stage“ nicht nur für alle Beteiligten war und ist: „Großartige Musik, Spaß-Musik! Oder in Steves Worten: ‚Groove-Musik‘!“ – dem ist nichts hinzuzufügen. Anspieltipps: „I Can’t Turn You Loose“ und „Things Ain’t What They Used To Be“. (Photo © mosaik promotion)