Woche 11/2023

Tim Collins

For Good People (GLM)

Es ist immer noch ein Glücksfall für die süddeutsche Jazzszene, dass es den New Yorker Tim Collins vor zwölf Jahren nach München verschlagen hat. Gehört der 45-Jährige doch zur kleinen Schar der weltbesten Vibrafonisten. Das bescheinigten ihm amerikanische Kritiker schon, als er noch in seiner Heimat mit Cracks wie Ingrid Jensen oder Aaron Parks spielte: „Collins ist nichts weniger als beispielhaft,“ schrieb etwa die New Yorker Jazz-Bibel „Downbeat“.

Jenseits des großen Teichs hat er es in der Zusammenarbeit mit unterschiedlichsten Größen von John Hollenbeck oder Danny Grissett über Henning Sieverts oder Shinya Fukumori bis zu den Weltmusikern Quadro Nuevo oder der jungen Senkrechtstarterin Shuteen Erdenebataar bewiesen. Und er unterstreicht es jetzt mit seinem fünften Album „For Good People“.

Den Titelsong komponierte Collins im Herbst 2021, nachdem er vom Tod eines alten Freundes erfahren hatte. „In den vergangenen Jahren habe ich mehr als ein paar gute Menschen in meinem Leben verloren“, erzählt er. „Ich wollte ihnen Tribut zollen, aber auch den guten Menschen, die noch hier sind.“ Insbesondere unter dem Einfluss der schweren Corona-Zeit wurde das Stück deshalb zum namensgebenden Motto des Albums – jedoch ganz ohne Düsternis. „Nach der Dunkelheit der Jahre 2020 und 2021 wollte ich mit einem positiven Ansatz in die Zukunft blicken“, sagt Collins. Daher ist die Musik fast durchgehend fröhlich und beschwingt. „Das Ziel war es, Musik für meine Freunde zu schreiben und dabei so viel Spaß wie möglich zu haben. Wenn wir Spaß haben, wissen wir, dass das Publikum es auch hat.“

Seine seit vielen Jahren mit ihm, aber erstmals in dieser Trio-Besetzung spielenden Freunde, das sind in diesem Fall zunächst der 48-jährige österreichische Schlagzeuger Christian Lettner, der sein Instrument vom elften Lebensjahr an erlernte und an den Musikhochschulen in Graz und Linz studierte. Seit den späten Neunzigerjahren gehört er zu den gefragtesten europäischen Drummern, er spielte unter anderem mit Karl Ratzer, Nils Landgren, Jocelyn B. Smith, Adrian Mears, Joo Kraus, Johannes Enders oder der WDR Big Band und ist seit 2000 festes Mitglied in Klaus Doldingers „Passport“. Er ist außerdem Professor am Salzburger Mozarteum und seit kurzem auch an der Hochschule für Musik und Theater München.

Und dann der Münchner Tastenmann Matthias Bublath, wohl der wichtigste und älteste Weggefährte von Collins. Denn Bublath lebte und arbeitete nach seinem Studium in Linz, am Berklee College of Music und der Manhattan School of Music neun Jahre in New York, die beiden kennen sich bereits aus dieser Zeit. Zu Bublaths enormer Produktivität und Vielseitigkeit – er hat zum Beispiel allein in jüngster Zeit Alben mit klassischem Klaviertrio, Solo-Piano und seiner „Eight Cylinder Bigband“ veröffentlicht – gehört, dass er ein herausragender Spezialist für die Hammond Orgel ist. Die spielt er nun auch auf „For Good People“, zu dem er überdies vier Kompositionen zu fünf Stücken von Collins beisteuerte.

So präsentiert sich „For Good People“ in der raren Besetzung Vibrafon, Orgel und Schlagzeug, und dementsprechend in der mitreißenden Mischung aus schwerem Groove, eingängiger Melodik und technisch überragenden Soli. Vom traditionellen Jazz-Kontext geht es über Funk und afrikanische Rhythmen bis zu neoromantischen

Texturen. Ein kleines Meisterwerk von und für „Good People“. Anspieltipps: „Mainline Rush“ und „Down The Old Road“.