Woche 01/2023

Ariel Bart

Documentaries (Ropeadope Records)

Ariel Bart, die schon mit sieben Jahren begonnen hat, die chromatische Mundharmonika zu spielen, arbeitet daran, die Grenzen der Mundharmonika zu erweitern und sie präsenter zu machen, indem sie Originalmusik schafft und mit verschiedenen Bands weltweit zusammenarbeitet. Auf „Documentaries“, ihrem zweiten Album, hebt Bart ihr Quintett auf eine neue Ebene, indem sie den in Israel/NY lebenden Trompeter Itamar Borochov mit ins Boot holt.

Über ihr neues Album sagt die aus Israel gebürtige Mundharmonikaspielerin:  „Ich lebe ständig zwischen hellen und dunklen Momenten in meinem persönlichen Leben, und ich glaube, das gilt für die meisten Menschen. Bei dem, zwischen diesen beiden zu navigieren, habe ich diese neuen Kompositionen geschrieben, die den Konflikt zwischen dem, was wir nach außen hin darstellen und wie andere Menschen uns sehen, und dem, was wir in unserem Inneren wirklich fühlen, aber nicht aussprechen können, widerspiegeln. Man weiß nie, was wirklich in den Herzen der Menschen vorgeht, von denen man umgeben ist.“

Wer die Musik auf „Documentaries“ hört, kann nicht umhin, an das französische Chanson zu denken, an Barbara, an die Greco, an Brel und andere. Der Musik wohnt dabei durchaus etwas von Liebe und Leidenschaft, die Leiden schafft inne. Sie ist bisweilen getragen, wird bestimmt vom Klang der Mundharmonika, die hier und da an ein Akkordeon erinnert, wenn auch ohne dessen lang gezogene Tonsilben.

Toots Thielemans, der „alte Mann aus der Brüsseler Hoogstraat“, , hat die Mundharmonika einst für den Jazz hoffähig gemacht. Ariel Bart hingegen erweitert mit ihrem Ensemble die Klangnuancen, nimmt Kammermusikalisches mit Cello und Bass auf. Mittelalterliche Musik scheint ab und an auch in ihren Kompositionen auf. Stimmungsvoll und melodiös ist das, was auf „Documentaries“ zu hören ist. Gelegentlich durchaus auch melancholisch und elegisch daherkommend.

Die musikalische Reise ist auch eine Wanderung über weite Hochflächen wie in „Between Light and Shadow“, dem ersten Track des Albums. Dabei vermeint man dichte Wolkenbänder am Himmel zu sehen, den steten Wind rauschen zu hören und sich gen Horizont aufzumachen. Wetterleuchten und Gewitterankündigungen sind auch vernehmbar, vor allem zu Beginn, wenn dramatische Tonsilben des Pianos ans Ohr dringen, begleitet von intensiven „Trommelverwirbelungen“.

Spärliche Sonnenstrahlen durchdringen die Wolken, so jedenfalls ein weiteres mögliches Bild, das vor allem zum eingeschobenen „Duett“ von Trompeter und Mundharmonikaspielerin passt. Elegisches gibt in Zwischenspielen der Pianist zum Besten. Getragen ist der Duktus. Bezogen darauf meint man, Sibelius und Grieg seien im Geiste Paten der Musik., die zu hören ist.

Mit „Ending“ wird das Album dann abgerundet, ein absoluter Hörgenuss, nicht zuletzt auch der exzellenten technischen Aufnahmequalität wegen. Anspieltipps (s.o.). außerdem „Six Souls Left“ und „Time is Blind“. (Ropeadope Records)